Was ist Agrivoltaik?
Agrivoltaik, auch Agrophotovoltaik (APV) genannt, bezeichnet die gleichzeitige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Nahrungsmittelproduktion und die Erzeugung von Solarstrom. Diese doppelte Flächennutzung bietet ein enormes Potenzial, um sowohl die Energiewende voranzubringen als auch landwirtschaftliche Erträge zu sichern.
Die zugrunde liegende Idee stammt ursprünglich aus Japan und wurde in den letzten Jahren zunehmend in Europa, insbesondere auch in Deutschland, aufgegriffen. Durch den Einsatz spezieller Photovoltaik-Anlagen, die über oder zwischen landwirtschaftlichen Kulturen installiert werden, kann die Fläche optimal genutzt werden. Dabei stellt sich die zentrale Frage: Wie kann Solarenergie so in die Landwirtschaft integriert werden, dass Vorteile für beide Sektoren entstehen?
Technische Konzepte der Agrivoltaik
Es gibt verschiedene technische Ansätze, um Agrivoltaikanlagen in der Praxis umzusetzen. Je nach Kulturen, Standortbedingungen und Zielsetzungen variieren diese Konzepte. Die gängigsten Varianten sind:
- Hochmontierte PV-Module: Photovoltaik-Module werden in einer Höhe von etwa 5 bis 7 Metern installiert, sodass darunter weiterhin maschinelle Bewirtschaftung und Pflanzenanbau möglich ist.
- Vertikale PV-Systeme: Die Module werden vertikal oder in Ost-West-Ausrichtung montiert, wodurch eine geringere Verschattung der Kulturen erfolgt. Sie eignen sich besonders für Tierweiden und Grünland.
- Teilverschattung mit lichtdurchlässigen Modulen: Diese Systeme lassen diffuses Licht durch und ermöglichen so das Pflanzenwachstum unter den Modulen.
Die Wahl des richtigen Systems hängt entscheidend vom Mikroklima, dem Kulturtyp und der Bodennutzung ab. Moderne Sensorik und Steuerungssysteme helfen dabei, die Effizienz beider Nutzungen zu maximieren.
Vorteile der Agrivoltaik für Landwirte
Die Kombination von Landwirtschaft und Solarstromerzeugung bietet zahlreiche Vorteile für Landwirte. Besonders angesichts steigender Energiepreise, zunehmender Wetterextreme und sinkender Direktzahlungen aus der Agrarförderung kann Agrivoltaik eine zusätzliche Einkommensquelle schaffen.
- Doppelte Nutzung der Fläche: Durch die Integration von PV in die Landwirtschaft wird eine höhere Flächeneffizienz erzielt. Damit ist Agrivoltaik insbesondere in Regionen mit hohem Flächendruck attraktiv.
- Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel: APV-Anlagen bieten Schutz vor Extremwetterereignissen wie Hagel oder Starkregen und reduzieren die Verdunstung im Boden durch Teilverschattung.
- Stabile Einnahmequellen: Die Einspeisung von Solarstrom oder der Eigenverbrauch erzeugten Stroms bietet Landwirten eine stabile und kalkulierbare Einkommensquelle über viele Jahre hinweg.
- Fördermöglichkeiten: Im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2023 können spezielle Flächen mit APV gefördert werden, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind (§ 37 EEG 2023).
Rechtlicher Rahmen und Förderbedingungen in Deutschland
Die Umsetzung einer Agrivoltaikanlage unterliegt in Deutschland klaren gesetzlichen Vorgaben. Zunächst ist die Entscheidung, ob eine bestimmte Fläche für eine Photovoltaikanlage nutzbar ist, abhängig vom Bauplanungsrecht. Agrarflächen befinden sich in der Regel im Außenbereich gemäß § 35 BauGB, in dem bauliche Anlagen nur ausnahmsweise genehmigt werden.
Damit Agrivoltaikanlagen genehmigungsfähig sind, müssen sie entweder als privilegiertes Vorhaben gelten oder als Teil einer Sonderbaufläche ausgewiesen werden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 hat zudem die Teilnahmebedingungen für die Ausschreibung von PV-Freiflächenanlagen angepasst. So gelten Agri-PV-Anlagen als teilnahmefähig an Ausschreibungen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
- Die Fläche wird landwirtschaftlich genutzt und nicht vollständig versiegelt.
- Zwischenräume zwischen PV-Modulen ermöglichen weiterhin Ackerbau oder Weidewirtschaft.
- Die PV-Anlage dient nicht ausschließlich der Energieerzeugung, sondern auch der Landwirtschaft (§ 37 Absatz 1 Nr. 3 und § 48a EEG 2023).
Zudem eröffnet das EEG die Möglichkeit, einen sogenannten „Technologiebonus“ in Anspruch zu nehmen, sofern nachweislich eine besonders innovative Technologie eingesetzt wird, was auf viele APV-Projekte zutreffen kann.
Wirtschaftliche Aspekte und Rentabilität
Die Investitionskosten von Agrivoltaikanlagen liegen derzeit noch über denen konventioneller Freiflächenanlagen. Dies liegt unter anderem an den komplexeren Unterkonstruktionen und der Notwendigkeit spezieller Montagesysteme, die eine landwirtschaftliche Nutzung weiterhin möglich machen.
Nichtsdestotrotz kann sich die Anschaffung langfristig lohnen. Einnahmen können durch Einspeisung des erzeugten Stroms, Direktvermarktung oder Eigenverbrauch generiert werden. Ferner bietet die Kombination mit landwirtschaftlichen Fördermitteln zusätzliche Spielräume.
Aufgrund der noch jungen Marktstruktur ist es empfehlenswert, mit spezialisierten Anbietern und Planungsbüros zusammenzuarbeiten. Diese unterstützen bei der Potentialanalyse, der Auslegung der Anlage sowie bei Genehmigungsverfahren und Fördermittelanträgen.
Praxisbeispiele und Pilotprojekte in Deutschland
In Deutschland wurden bereits mehrere erfolgreiche Agrivoltaik-Projekte realisiert, etwa in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Eines der bekanntesten Beispiele ist das Pilotprojekt Heggelbach am Bodensee, das vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) wissenschaftlich begleitet wurde.
Dieses Projekt zeigte, dass durch die Teilverschattung unterhalb der Solarmodule nicht nur die Erträge in trockenen Jahren gesteigert werden konnten, sondern auch die Effizienz der PV-Anlage durch die Kühlung der Module verbessert wurde. Die Ernteerträge lagen bei 80 – 95 % der konventionellen Bewirtschaftung, während zugleich rund 60 – 70 % des Flächenertrags durch Stromerzeugung dazugewonnen wurden.
Weitere Projekte wie das APV-Projekt in Gelsenkirchen oder Freising zeigen ebenfalls, dass verschiedenste Kulturen – von Kartoffeln über Spargel bis hin zu Beeren – mit Solaranlagen kombiniert werden können.
Zukunftsaussichten und Weiterentwicklung
Die Agrivoltaik steht aktuell an einem Wendepunkt. Mit der zunehmenden Nachfrage nach erneuerbarer Energie, dem Flächendruck in vielen Regionen und steigenden Anforderungen an die Klimaanpassung in der Landwirtschaft gewinnt das Thema weiter an Bedeutung.
Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer ISE, die Universität Hohenheim oder das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) arbeiten intensiv an der Weiterentwicklung von APV-Systemen – sowohl technisch als auch ökonomisch. Auch auf EU-Ebene wird das Thema gefördert. Die EU-Kommission sieht darin ein Kernelement für die Transformation des Agrar- und Energiesektors.
Langfristig könnten Agrivoltaikanlagen ein fester Bestandteil nachhaltiger landwirtschaftlicher Betriebe werden und dazu beitragen, dass erneuerbare Energien flächenschonend und gesellschaftlich akzeptiert ausgebaut werden.
Gerade für landwirtschaftliche Betriebe in trockenen oder intensiver genutzten Gebieten eröffnet sich durch Agrivoltaik ein neuer, zukunftsträchtiger Weg zur Flächennutzung, der Ökonomie und Ökologie besser miteinander vereinbart.
Für alle, die sich tiefergehend damit beschäftigen möchten, empfehlen sich die Publikationen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sowie des BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz), welche regelmäßig neue Förderprogramme und Informationsbroschüren veröffentlichen.